«À chacun son cirque!»

Rückblick auf die 5. Individualpädagogische Fachtagung

Am 13. Juni 2024 öffnete das Hazelnut House in Girsterklaus in Luxemburg seine Türen für die fünfte Individualpädagogische Fachtagung des Jugendhilfeträgers ensemble gGmbH. Unter dem Motto «Jedem seinen Zirkus» kamen rund 120 Fachkräfte aus der Jugendhilfe zusammen, um innovative Ansätze in der Arbeit mit Jugendlichen zu diskutieren und wertvolle Einblicke in der Individualpädagogik zu gewinnen.

Die Veranstaltung war ein voller Erfolg und bot eine gelungene Mischung aus fachlichem Input, praxisnahen Beispielen und lebhaftem Austausch. Die Tagung knüpfte an unser zentrales Prinzip der Individualpädagogik an. Es geht darum, maßgeschneiderte Angebote zu entwickeln, die den spezifischen Bedürfnissen der betreuten Jugendlichen gerecht werden. Genau das wurde in den vorgestellten Projekten lebendig und anschaulich gezeigt.

Fachlicher Input von Prof. Menno Baumann

Ein besonderer Höhepunkt der Tagung war der Vortrag von Prof. Menno Baumann von der Fliedner Fachhochschule in Düsseldorf. Baumann, ein Experte auf dem Gebiet der Arbeit mit Jugendlichen mit herausfordernden Verhaltensweisen, beriet ensemble bei der Erarbeitung eines Schutzkonzeptes und beleuchtete die Spannungsfelder einer bedarfsorientierten Individualpädagogik. Er ging der Frage nach, wie der Kreislauf von Entwertungserfahrungen und sozialem Ausschluss, der bei Jugendlichen oft zu Wut, Angst und Depression führt, durchbrochen werden kann. Baumann stellte vier zentrale Herausforderungen heraus, die im Einklang miteinander stehen müssen:

  • Versorgende Dimension: Schutz des jungen Menschen vor weiteren schädigenden Einflüssen.
  • Erzieherische Dimension: Konfrontation mit gesellschaftlichen Werten und Normen des Zusammenlebens.
  • Bildungsorientierte Dimension: Unterstützung bei der Entwicklung einer Zukunftsperspektive und Eröffnung vielfältiger Handlungsspielräume.
  • Therapeutische Dimension: Etablierung tragfähiger Beziehungen, die Sicherheit bieten und Raum zur Identitätsentwicklung schaffen.

Der Vortrag von Prof. Menno Baumann kann hier heruntergeladen werden.

Praxisbeispiele und persönliche Geschichten

Wie sich diese Anforderungen in der Praxis umsetzen lassen, wurde durch die Vorstellung von fünf Projekten verdeutlicht. Jugendliche und Betreuende präsentierten dabei anhand von Bildern und persönlichen Geschichten, wie vielfältig die Gründe sein können, warum ein junger Mensch aus dem luxemburgischen Schulsystem und den sozialen Hilfen herausfällt. Diese Gründe reichten von einer bestehenden Hochbegabung und der damit einhergehenden Unterforderung bis hin zu Selbst- und Fremdgefährdung aufgrund angestauter Wut.

Ein besonderes Highlight der Tagung war der Auftritt einer jungen Teilnehmerin aus einem der Zirkusprojekte, die mit ihren Kunststücken das Publikum beeindruckte. Darüber hinaus berichtete ein Vater von den Herausforderungen und Erfolgen, die er und sein Sohn während der Teilnahme an einem ensemble-Projekt erlebt haben. Jeanne Smyczynski, die bei ensemble sowohl in der Elternbetreuung als auch als Begleiterin für ambulante Hilfen tätig ist, präsentierte die Schwierigkeiten, die mit der Rückkehr der jungen Menschen ins familiäre oder soziale Umfeld nach Beendigung der Hilfe verbunden sind.

Offener Austausch und Abschlussdiskussion

In einer abschließenden Diskussionsrunde wurden Fragen des Publikums aufgegriffen, wie etwa: „Nehmt Ihr jeden Jugendlichen?“, „Gibt es bei ensemble eine Nachbetreuung, nachdem die Jugendlichen das Projekt beendet haben?“ und „Inwiefern wird mit dem Umfeld der Jugendlichen gearbeitet?“. Diese und weitere Fragen zur Rückkehr der Jugendlichen in ihr soziales Umfeld, zu den Übergängen und Abbrüchen der Hilfsangebote sowie zur Wirksamkeit der von ensemble angebotenen Hilfen, wurden ausführlich von einem jungen Menschen, Projektmitarbeitenden, Koordinator:innen und Menno Baumann diskutiert und beantwortet.

Fazit: Eine gelungene Tagung mit nachhaltiger Wirkung

Diese Fachtagung war mehr als nur eine Veranstaltung – sie war ein Ort des Austauschs, der Inspiration und der gemeinsamen Reflexion. Die Teilnehmenden konnten nicht nur fachlich profitieren, sondern auch neue Kontakte knüpfen und sich in einer angenehmen Atmosphäre wohlfühlen. Am Ende bleibt der Eindruck, dass diese Tagung weit über ihren eigentlichen Rahmen hinauswirken wird. Sie hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig Transparenz, fachliches Können und gemeinsames Engagement in der Jugendhilfe sind. Unsere Fachtagung wirkt auch nach Veranstaltungsende auf viele Weisen weiter, weil sie die Verletzlichkeit der Hilfeprozesse aufgezeigt hat, die immer wieder einer gemeinsamen Anstrengung an Transparenz und fachlichem Können bedürfen.

Wir freuen uns darauf, die gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen und sind gespannt auf die kommenden Projekte und Tagungen.