Vom 16.10.2024 – 17.10.2024 trafen sich Böblingen (Baden-Württemberg) internationale Fachkräfte, um von ihrer gelingenden Praxis einer systemisch lösungsfokussierten Arbeit im Kinderschutz zu berichten. Im Rahmen der 2-tägigen Konferenz „ Celebrating Good Work“ tauschten sich Professionelle aus der Schweiz, Belgien, Österreich, den Niederlande, Luxemburg und Deutschland aus und diskutierten ihre Erfahrungen.
Die Idee, Zeichen von Sicherheit in der Arbeit mit Kindern und Familien sichtbar zu machen und nachhaltig zu verankern, zieht sich als roter Faden durch die beiden Tage.
Harry Henning der Leiter des Kreisjugendamtes Böblingen begrüßt die Teilnehmer*innen und ermutigt diese dazu, den Kinderschutz mit Klarheit und Struktur und unter Beteiligung der Familien transparent und wertschätzend zu gestalten. Dies trage auch wesentlich zur Sicherheit der Mitarbeiter*innen bei.
Meike de Wit und Laura Toth Titel zeigen ihre Arbeit an einer erklärenden Geschichte (Words & Pictures) zu einem erkrankten Elternteil und wie ein Netzwerk dazu beiträgt, einen sicheren Kontext für die Kinder zu schaffen.
Marianne Roessler und Wolfgang Gaisswinkler, Netzwerk OS`T Österreich plädieren in ihrem Beitrag „Gute Wirkung entfachen“ für eine Lernkultur über Gelingendes und über das „Wie“- „Wie gelingt es mit den scheinbar schwierigen Familien eine Kooperation und erwünschte Zukünfte zu entwickeln wie positive Veränderungen sichtbar zu machen?“.
Anna Titze, Sozialarbeiterin und Doktorandin an der Universität Koblenz präsentiert erste spannende Ergebnisse ihrer Forschung zum Thema „Herausforderungen bei der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen im Kinderschutz aus Sicht der Fachkräfte in den Jugendämtern“. Sie zeigt, dass „lösungsorientierte Methoden wirken“ und sich Partizipation als wichtigstes Element in der Arbeit herausstellt. Partizipation scheint dabei, so die ersten Ergebnisse, abhängig von Wissen und Haltung der Professionellen. Fehlende strukturelle und personelle Ressourcen und unklare Aufträge erzeugen Angst und Unsicherheit.
Unter dem Titel „Sinnvoll Messen“ beschäftigen sich Susanne Olpen (Breisgau Hochschwarzwald) und Claudia Kalvelage (Hamburg) damit, wie es gelingt, die Wirksamkeit sicherheitsorientierter Arbeitsweisen zu evaluieren. Befragungen aller am Hilfeprozess Beteiligten, wie Aktenanalyse und Datenauswertung werden als Bausteine beschrieben.
Im Workshop „Vision Signs of Safety/Lösungsorientierter Ansatz in stationären & ambulanten Hilfen“ mit Kevin van Bedts (Direktor von „De Oever“ Flandern, Belgien) zeigt dieser den Nutzen der Arbeit mit Netzwerken und einer Sicherheitsplanung, die den Verbleib eines Kindes im Herkunftssystem fokussiert. „De Oever“ hat 150 Mitarbeiter*innen und begleitet jährlich 300 Familien. „Man brauche auch die Politik“ so Kevin van Bedts, da diese Arbeitsweisen auch einen Rahmen brauchen, der sie ermöglicht und unterstützt. Der Implementierungsprozess und die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses hat in „De Oever“ fünf Jahre gedauert und wurde von den Leitungen, den Trainer*innen und allen getragen, die mit Kindern und ihren Familien arbeiten.
Kevin van Bedts beschreibt, dass die Etablierung von flachen Hierarchien die Implementierung begünstig hat. Die Mitarbeitenden brauchen gute Bedingungen, sei es variable Arbeitszeitmodelle, sowie den Rückhalt der Vorgesetzen, um ihre Praxis zu verändern und eigenverantwortlich zu handeln.
Für Van Bedts ist ein Heim kein Lebensort auf Dauer deshalb ist die Rückkehr in die Familie das Ziel des Kindes, sofern nachhaltige Sicherheit und Schutz vorhanden sind. Oft wird im öffentlichen Diskurs, die Legitimation der Fremdunterbringung als „Schadensbegrenzung“ für das Kind formuliert. Dabei wird unterschätzt, dass eben durch die Unterbringung außerhalb der Familie auch zusätzliche Schäden entstehen können. Grenzüberschreitungen in Institution werden zudem in der Regel wenig thematisiert. Die Beteiligung der Akteure und das gemeinsame Erstellen von Sicherheitsplänen ermöglicht eine Weiterentwicklung innerhalb des Familiensystems.
Katja Berg und Claire Ierace aus Luxemburg behandeln das Thema „Netzwerkarbeit über Landesgrenzen hinaus“. Sie zeigen, wie sie einen Sicherheitsplan für eine medikamentenabhängige Mutter gemeinsam mit dem Netzwerk erstellt haben. Die Formulierung einer Gefahrenaussage und das korrespondierende Sicherheitsziel werden als Basis für den Prozess beschrieben. Aspekte wie Anzeichen von Sicherheit, Auslöser von schädigendem Verhalten, Warnsignale werden als Teile des Sicherheitsplans erarbeitet.
Der Online- Beitrag von Prof. Dr. Stefan Godehardt-Bestmann (Berlin) betont die Wirksamkeit von Wörtern und Bildern und weist auf die bedeutsame Funktion von Sprache in der Arbeit mit Klienten hin. Es muss konkret über beobachtbare Verhaltensweisen gesprochen werden. Für ihn geschieht Partizipation im Wechselgefüge von Lebenswelt und Lebenslage. Signs of Safety bietet eine Vielzahl von Tools und Verfahrensweisen, die jedoch so Godehardt-Bestmann, „zu einem proaktiven, sozialraumorientierten Kinderschutz“ weiterentwickelt werden müssen.
Lea Renz und Orawan Khamchu (Kreisjugendamt Biberach) berichten in ihrem Beitrag „Signs of Safety – No words needed!“ wie es gelungen ist, mit Eltern zu arbeiten, die aufgrund von Analphabetismus nicht lesen und schreiben können und wegen einer psychischen Erkrankung und einer medikamentösen Behandlung aufmerksamkeitseingeschränkt sind. Sie haben das Mapping mit Hilfe von Bildern statt Worten gemacht, um den Eltern die Sorgen der Fachkräfte und aller am Hilfeprozess Beteiligten zu verdeutlichen. Sie entwickelten mittels der Bildsprache eine Gefährdungsaussage und das Sicherheitsziel.
In einer „Words and Pictures Erklärung“ stellt Jennifer Höfler, die Geschichte von Corina vor, die über viele Jahre in unterschiedlichen Einrichtungen gelebt hat. Die Bilder zeigen die unterschiedlichen Stationen, Menschen und Herausforderungen. Zum Ende – mit viel Mut -enthüllt die Vortragende, dass es sich um ihre persönliche Geschichte handelt.
Der Workshop Ethische Befragung bei häuslicher Gewalt- Arbeit mit Tätern mit Sabine Epperlein & Sabine Bachner stellt die Methode der Befragung „Ethical Inquiry“ von Ryan Greenwell (Australien) vor. Spezifische Gesprächspraktiken sollen Tätern ermöglichen, zu ihren Taten zu stehen, was eine wesentliche Voraussetzung für eine Sicherheitsplanung ist. Durch eine Videosequenz wird die Art der Befragung veranschaulicht. Ethical inquiry bzw. eine ethische Befragung „ist ein hinterfragender Ansatz, der respektvolle und verantwortliche Gespräche durch die Entdeckung der eigenen ethischen Präferenzen/Haltungen des Täters in Bezug auf Gewalt in der Familie beinhaltet“. Eine Arbeitsbeziehung wird durch eine Vielzahl von Fragen aufgebaut werden. Die Referentinnen nennen als die drei häufigsten Fehler in der Kommunikation mit Tätern a) die oppositionelle Kommunikation, die mit Konfrontation und Zurechtweisung oft einher geht; b) offene Fragen zu Beginn des Gesprächs, die dem Täter dazu einladen seine Version der Dinge darzustellen und es somit den Fachkräften massiv erschwert die Verantwortlichkeit aufrechtzuerhalten und c) die konforme Kommunikation, die eine gemeinsame Sprache bei den Gesprächspartnern entstehen lässt, die eine Einigung auf unverantwortliche Positionen fokussiert. Sie zeigen, welche Möglichkeiten für die Sicherheitsplanung damit eröffnet werden können.
Der Workshop: Sicherheitsplanung, Freya Daems & Marianne Mattheus aus Belgien thematisiert die jahrelangen Erfahrungen des ambulanten Teams „Traject“ und ihrer gelingenden Praxis bei der Umsetzung der Sicherheitsplanung. Sie berichten von ihrer Suche nach einem sozialen Netzwerk der Familie, der Beteiligung der Kinder und visualisieren ihre Arbeit, um Sicherheit in der Familie herzustellen.
Der Workshop: Netzwerkplanung mit Soraya van der Veen & Ria Vink, aus der Region Stadskanaal in den Niederlanden, zeigt ebenso die Arbeit mit dem Netzwerk der Familie. Die Teilnehmer*innen können erleben, wie das Netzwerk gefunden, aktiviert und aufrechterhalten werden kann. Sie geben ihre Erkenntnisse aus der Praxis zu „Family Finding/Family Seeing“ weiter und berichten von der Arbeit mit dem Netzwerk im Laufe der Zeit.
Der Workshop: Implementierung in Österreich mit Andrea Jedinger, gibt vertiefende Einblicke in den Prozess der Implementierung des lösungsfokussierten Ansatzes in der Kinder- und Jugendhilfe in Oberösterreich. Sie bringt ihre Erfahrungen und ihr Wissen ein, wie sich eine Organisation mit mehr als 1000 Mitarbeiter*innen verändern kann. Dabei werden einzelne Schritte, die zur erfolgreichen Umsetzung beigetragen haben, diskutiert.
Wir sind sprechen alle eine gemeinsame Sprache für den Kinderschutz! So könnte das ermutigende Fazit dieses bereichernden fachlichen internationalen Austauschs lauten.
Den Zusammenschnitt der Konferenz finden Sie hier